SEVERIN*S SPA & RESORT | SYLT

Die Gestaltung von Hotels erfordert viel Fingerspitzengefühl. Jörg Moser und Christian Olufemi sprechen im Interview über ihre Erfahrungen mit authentischem Storytelling, das Gemeinschaftsgefühl in Luxus-Herbergen und weshalb Hoteldesign sich dem von Autos ähnelt.

MARRIOTT HOTEL | SINDELFINGEN

MARTINA METZNER
Hat sich durch die Pandemie die Gestaltung von Hotels geändert?

CHRISTIAN OLUFEMI
Das ist zweischichtig. Zum einen sind es die privaten Reisen, also für Urlaub, Wochenende, Städtebesuch, die stark durch die Pandemie zugenommen haben. Die Leute haben Urlaub im eigenen Land kennen und schätzen gelernt. Geschäftsreisen haben hingegen nachgelassen, einfach weil Interviews und Meetings jetzt oft online durchgeführt werden.

JÖRG MOSER
Dadurch schwenken Business-Hotels mehr auf Ferienbetrieb um. Für ein klassisches Business-Hotel im nordrhein-westfälischen Meschede haben wir ein Konzept erarbeitet, indem wir stärker den Freizeit- und Urlaubsaspekt betonen.

M M
Kann man Business-Hotels von Urlaubshotels überhaupt noch differenzieren?

C O
Natürlich. Ein Business-Hotel hat viele Konferenzbereiche, es gibt Zimmer, die für Geschäfts-Reisende zugeschnitten sind. Aber die Schwerpunkt lassen sich verschieben. Mit zusätzlichen Wellnessräumen, einer Bar und einem Restaurant, das nicht nur zum Frühstücken da ist. Und so wird insgesamt die Aufenthaltsqualität im Hotel erhöht, sodass am Ende auch Nicht-Hotelgäste, also etwa Bewohner*innen der Stadt das Restaurant oder die Bar nutzen. Für das Hotel Louis am Viktualienmarkt in München haben wir eine solche Studie gemacht.

J M
Daneben sind es Themen wie Serviced Appartments und Co-Working, die in den Städten boomen. Für eine Revitalisierung eines ehemaligen Verwaltungsgebäudes in München machen wir genau das: Ein Teil widmet sich Office mit Co-Working-Spaces, ein anderer der Unterkunft mit Boarding-House-Charakter, wo man kurz oder länger bleiben kann.

M M
Was sind denn neuere Tendenzen in der Hotelgestaltung?

C O
Natürlich gibt es neue Tendenzen, Zimmer noch kleiner zu machen oder Einrichtungsgegenstände auch kaufen zu können. Aber unserer Ansicht nach zeigt sich die Qualität eines Hotels über die Zeit und nicht so sehr aus einer spontanen Veränderung heraus. Es wird viel über das Mittel-Segment diskutiert, einfach, weil sich denen immer stärker die Budget-Hotels mit ihrer Ausstattung und dem Angebot nähern. Wenn das Bett dort genauso gemütlich ist und der Kaffee ebenso gut schmeckt wie im 4-Sterne-Hotel, weshalb soll ich dann noch einen höheren Preis zahlen? Deshalb raten wir diesen Häusern, dass sie stärker herausarbeiten müssen, was sie mehr bieten als die Budget-Hotels.

J M
Storytelling ist hierbei ganz entscheidend. Dann wird die Geschichte wichtiger als der Kühlschrank im Zimmer. Die Essenz dabei ist, wie schaffe ich Geborgenheit? Also wie schaffe ich es, dass sich Menschen in einem fremden Raum, in einer fremden Stadt, an einem fremden Ort wohlfühlen? Der Mensch liest aus allem, was er sieht, eine Geschichte heraus, was dann ein Gefühl generiert. Das passiert größtenteils unterbewusst. Und das funktioniert schon über kleine Details wie ein Bild, ein Buch auf dem Tisch oder eine Leuchte.

M M
Wie künstlich oder real sollte die Story sein?

C O
In günstigeren bis mittleren Bereichen funktionieren noch fiktive Stories, im oberen Segment schon nicht mehr – da geht es dann um Authentizität. Wie etwa das 5-Sterne Hotel Severin*s am Tegernsee, das wir gerade neu bauen und gestalten. Hier muss das Storytelling subtil sein. Man schaut etwas an und es löst ein Wohlbefinden aus. Oder das Essen, das einen regionalen Bezug hat. Insgesamt wollen wir ein Haus schaffen, das dort wie selbstverständlich die Gäste willkommen heißt, als wenn es schon immer dagewesen wäre.

J M
Für das Severin*s am Tegernsee und auch das Severin*s auf Sylt haben wir die Marke mitentwickelt. Für das Severin*s in Sylt haben wir uns gefragt: Wie würde jemand, der sehr gut situiert ist, seine neue Bleibe auf Sylt einrichten? Das ist dann die hochwertige Story im Vergleich zu einer plakativen, fiktiven Story.

SEVERIN*S SPA & RESORT | SYLT
WELCOME HOTEL (IN BEARBEITUNG) | MESCHEDE
ATLANTIC HOTEL (IM BAU) | HEIDELBERG

M M
Was ist so speziell an der Gestaltung von Luxus-Hotels?

C O
In einem gehobenen Hotel erwarte ich Wertigkeit, Komfort, Service – also eine Fülle von Annehmlichkeiten. Aber es muss auch Überraschungsmomente und das Besondere geben. Die Herausforderung dabei: Als Gast muss ich den Ort mit anderen teilen. Also versuchen wir eine ausgewogene Balance zwischen Privatsphäre und Gemeinschaft zu schaffen. Zum Wohlgefühl trägt natürlich bei, dass die Menschen, die sich dort aufhalten, einen ähnlichen Status teilen. Man will unter sich sein. Das ist ein ganz essenzieller Faktor für diese Hotels. Und solche Luxus-Hotels funktionieren dann über Jahre – wie etwa das „Le Bristol“ in Paris.

M M
Wie arbeitet ihr mit Hotelketten zusammen?

C O
Das ist natürlich ganz individuell. Es geht dann um die Marke – ob sie stark oder weniger stark mit einer Gestaltung in Verbindung gebracht wird. Es gibt Ketten, da ist es ziemlich eng vorgegeben, da braucht man uns nur für die praktische Umsetzung. Und dann gibt es Ketten, die uns viel Freiheit geben. Das macht uns natürlich besonders viel Freude.

M M
Ist es schwierig, Hotels im laufenden Betrieb umzubauen?

C O
Das ist schnell beantwortet: ja (lacht). Das ist ein eigener Prozess, der eigenständig zu denken ist. Da müssen viele Gewerke und Gruppen bis hin zur Feuerwehr miteingeplant werden. Das legen wir oft schon im Entwurf fest, etwa die Vorfertigungsgrade.

M M
Wie gestaltet man ein attraktives Entree?

J M
Man hat heute nicht mehr unbedingt eine Rezeption, sondern vielleicht ein digitales Check-in. Die Bar wird in die Lounge eingebunden und hier kann gearbeitet, relaxt, gemeetet, gegessen oder einfach entspannt werden. Diese Bereiche sind heute offener für Nicht-Hotelgäste und vermitteln das Gefühl wie im eigenen Wohnzimmer, wo man sich wiederfinden kann.

C O
Es geht um das Ankommen. Wie fühlt man sich sofort wohl? Im Severin*s am Tegernsee zum Beispiel ist man in den Bergen. Da ist es natürlich schön, wenn man etwa im Winter einen Raum betritt, der warm ist und wo ein offenes Feuer knistert. Es geht also um den ersten Moment. Erst danach kommt der Service an der Rezeption.

MARRIOTT RENAISSANCE | WIEN
SEVERIN*S (IN BEARBEITUNG) | TEGERNSEE
OKTAVIAN BOARDINGHAUS IN BAU | MÜNCHEN
ATLANTIC HOTEL | MÜNSTER
OKTAVIAN BOARDINGHAUS (IM BAU) | MÜNCHEN

M M
Was sind die Anforderungen an die Gestaltung des Hotelzimmers?

C O
Für mich hat das mehr mit Autodesign oder mit einem Bühnenbild zu tun als mit Innenarchitektur. Da geht es um Feinjustierung, um Zentimeter. Wie kann ich einen Mehrwert im Raum generieren? Für ein gutes Raumgefühl muss ich Schwerpunkte setzen, Dinge betonen – das hängt mit der Raumaufteilung zusammen. Und dann kommt das Thema Material und Oberflächen. Für das Marriott in Sindelfingen haben wir bei einem Wettbewerb für die Gestaltung des Hotelzimmers überzeugen können. Dort haben wir versucht, alle Bereiche wie Schlafen, Arbeiten und Bad ineinander übergehen zu lassen. Dadurch haben wir es geschafft, dass der Raum wesentlich größer wirkt.

M M
Wie smart dürfen denn das Hotel und die Zimmer sein?

C O
Wir haben das schon viel mit Hotelbetreiber*innen diskutiert. Smart ist schwierig. Weil smart ja immer sehr persönlich auf jemanden zugeschnitten ist. Brauche ich eine App auf meinem Smartphone, um das Licht anzuschalten? Dann ist ein klassischer Schalter doch überzeugender. Die Bedienung im Hotelzimmer muss so einfach wie möglich sein, damit man sich schnell zurechtfindet.

ATLANTIC HOTEL | MÜNSTER
ATLANTIC HOTEL | MÜNSTER

M M
Der Food & Beverage-Bereich im Hotel hat in den vergangenen Jahren ja sehr an Bedeutung zugelegt…..

C O
Oft regen wir unsere Kund*innen dazu an, die Gastronomie neu zu denken. So haben wir für das Atlantic Hotel in Münster vorgeschlagen, einen Grill in die Mitte des Restaurants zu installieren. Denn Münster hat noch kein Grillrestaurant. Das muss auch nicht immer mit Fleisch zu tun haben, man kann ja auch vegetarisch grillen. Außerdem gibt es maskulinen und femininen Grill wie wir lernen durften (lacht). Den Grill haben wir durch herausziehbare Kochplatten so gebaut, dass man morgens auch Frühstück darauf servieren kann.

J M
Der Grillroom im Atlantic zieht auch Nicht-Hotelgäste an und wird unabhängig wahrgenommen. Das ist natürlich ein Erfolg, wenn man einer Stadt etwas Neues gibt.

M M
Wie schafft man es, dass die Gastronomie unabhängig vom Hotel wahrgenommen wird?

C O
Es gibt gute Gastronom*innen und es gibt gute Hoteliers. Beide haben auf ihrem Gebiet Kompetenzen – die wenigsten können das gut in einer oder einem Betreiber*in vereinen. Gastronom*innen sind schillernde Persönlichkeiten, Hoteliers bleiben eher im Hintergrund. Wenn sich beide treffen, kann das zum Erfolg führen.

J M
Im Hotel geht es darum, alles immer wieder auf den gleichen Zustand zu bringen. Das Kissen sitzt exakt dort, auch noch nach zig Gästen. Im Restaurant muss man hingegen immer Neues bieten, interaktiver sein. Das alles ist natürlich die Software – darauf haben wir weniger Einfluss. Da geht es auch um die Mitarbeitenden. Wenn man einen guten Barkeeper hat, zum Beispiel, macht das sehr viel aus. Ins Atlantic Hotel in Kiel kommen die Leute alleine wegen des Barkeepers.

SEVERIN*S SPA & RESORT | SYLT
ATLANTIC HOTEL | MÜNSTER

M M
Wie gestaltet man denn zeitgenössische Wellnessbereiche?

J M
Wellness im Hotel kann ein Alleinstellungsmerkmal und Wettbewerbsvorteil sein – gerade, wenn wir auf das Thema Business- und Urlaubshotel im Mix blicken. Im weitesten Sinne ist das auch eine Form von Entertainment. Aber Christian kann dazu mehr erzählen, er ist eher der Wellnesstyp (zwinkert). Im Ernst: Christian hat da die Expertise.

C O
Dort, wo wir nicht immer so gutes Wetter haben wie in Nordeuropa, brauchen wir einfach andere Attraktionen. Wenn man im November für ein Wochenende nach Hamburg fährt und es regnet, sagt man: Ok, wir gehen zwei Stunden in die Stadt und danach in die Sauna. Zur Gestaltung: Man sollte erstmal die Basics sauber bearbeiten, also Sauna, Dampfbad, Ruheräume und Behandlungen. Wenn man das gut hinbekommt, kann man über weiteres wie Räume mit Schneeflocken nachdenken.

M M
Werdet ihr mit dem Thema Social Media wie Instagram konfrontiert?

J M
Die Frage ist: Muss ich mich unbedingt vor einer Glitzerwand zeigen? Aber natürlich denken wir das en passant schon auch mit wie bei dem Boarding House, wo wir eine Lounge installiert haben, die sehr instagrammable ist. Es gibt einfach Orte, an denen das gut passt. Aber gerade im Luxus-Bereich eher weniger. Natürlich sind die Hotels da selbst aktiv.

SEVERIN*S SPA & RESORT | SYLT
SEVERIN*S (IN BEARBEITUNG) | TEGERNSEE
SEVERIN*S SPA & RESORT | SYLT