HAUS M
MÜNCHEN

Jedes Haus trägt die Spuren seiner Zeit. Bevor ein Architekt plant, muss er verstehen – verstehen, welche Geschichten in den Mauern liegen, welche Entscheidungen die ursprünglichen Erbauer trafen und wie das Gebäude durch die Jahrzehnte gewandert ist. Die Villa in der Mauerkircherstraße 67 erzählt eine solche vielschichtige Geschichte, die von bürgerlichem Selbstbewusstsein, politischer Tragödie und diplomatischer Repräsentation geprägt ist. 1928 beauftragte Alfred Bach, Mitinhaber des renommierten Modehauses Bach, den Münchner Architekten Robert Seitz mit dem Entwurf einer großzügigen Villa in Bogenhausen. Das Textilunternehmen, 1871 von Isidor Bach als Pionier der Konfektionskleidung in Bayern gegründet, hatte sich zu einem der führenden Herrenmodegeschäfte Münchens entwickelt. Die Villa sollte Ausdruck dieser Position sein: ein zweigeschossiger, natursteingegliederter Walmdachbau in historisierenden Formen mit halbrunder Treppenhaus-Rotunde, errichtet von der Münchner Baufirma Liebergesell und Lehmann. Die Familie Bach konnte ihr Haus nicht lange bewohnen. 1936 musste sie unter dem Druck der nationalsozialistischen Verfolgung das Modehaus an den Prokuristen Johann Konen verkaufen und emigrieren. Nach Kriegsende begann ein neues Kapitel: Ab 1953 diente die Villa als Privatwohnsitz des französischen Generalkonsuls und blieb bis 2016 im Besitz des französischen Staates. Diese Chronologie ist mehr als eine Aneinanderreihung von Fakten. Sie zeigt, wie ein Haus zum Zeitzeugen wird – und wie wichtig es ist, diese Schichten zu kennen, bevor man in die Substanz eingreift
DENKMALGERECHTE TRANSFORMATION
Als die Villa 2016 in private Hände zurückkehrte, stand sie vor einer grundlegenden Neuausrichtung. Die denkmalgeschützte Substanz verlangte nach einer Sanierung, die historische Qualität und zeitgemäßen Wohnkomfort in Einklang bringt. Zwischen 2018 und 2020 erfolgte eine umfassende Kernsanierung, die sämtliche Bereiche des 1150 Quadratmeter großen Hauses erfasste. Die Fassade, geprägt durch ihre charakteristische Natursteingliederung, wurde behutsam saniert. Schadhafte Putzflächen wurden ausgebessert, die wertvollen Natursteinlaibungen und Säulen restauriert. Die historischen Holzfenster – ein prägendes Element der Villenarchitektur der 1920er Jahre – wurden aufwendig instand gesetzt. An der Westfassade, wo die ursprüngliche Belichtung unzureichend war, wurden Fensteröffnungen vergrößert, um die Raumqualität zu verbessern, ohne die Fassadenkomposition zu beeinträchtigen. Das Dach erfuhr eine komplette Erneuerung. Die Dachkonstruktion wurde statisch ertüchtigt, neu gedeckt und gedämmt. Ein besonders anspruchsvoller Eingriff betraf die Treppenhaus-Rotunde: Sie wurde um ein Geschoss erhöht, um das ausgebaute Dachgeschoss vollwertig zu erschließen. Eine neue, filigrane Stahlwendeltreppe verbindet nun die Ebenen und setzt einen zeitgenössischen Akzent im historischen Kontext. Die neue Kupfereindeckung der Rotunde nimmt Bezug auf die bestehenden Metalldächer und fügt sich harmonisch in das Gesamtbild ein. Im Inneren wurde die Grundstruktur des Hauses respektiert, aber zugunsten heutiger Wohnbedürfnisse neu interpretiert. Im Untergeschoss entstanden hochwertige Funktionsräume – ein Fitnessbereich, ein Home Cinema, eine Einliegerwohnung und ein Hamam. Die notwendigen konstruktiven Eingriffe, darunter der Einbau eines Aufzugsschachts, wurden so ausgeführt, dass sie die historische Raumfolge nicht beeinträchtigen. Das Erdgeschoss, mit seiner repräsentativen Eingangshalle und den großzügigen Wohnräumen, blieb in seiner Grunddisposition erhalten. Die historischen Natursteinböden im Eingangsbereich, im Treppenhaus und in der Galerie wurden restauriert und bilden heute wieder das authentische Fundament der Raumgestaltung. Hier zeigt sich exemplarisch der denkmalpflegerische Ansatz: Wo originale Substanz von hoher Qualität vorhanden war, wurde sie bewahrt und zur Geltung gebracht. Die oberen Geschosse erhielten neue Grundrisse, die den Bedürfnissen einer zeitgemäßen Wohnnutzung entsprechen. Badezimmer und Ankleidebereiche wurden neu konzipiert, wobei notwendige technische Installationen hinter skulptural gestalteten Wandscheiben verschwinden. Die historischen Stuckdecken im Erdgeschoss und Obergeschoss wurden sorgfältig restauriert, schadhafte Bereiche ergänzt oder, wo nötig, erneuert – eine Arbeit, die höchste handwerkliche Präzision verlangte.
INNENARCHITEKTONISCHE VERFEINERUNG
Die Innenraumgestaltung setzt auf die subtile Verbindung von historischer Eleganz und zeitgenössischer Reduktion. Ein zentrales gestalterisches Element bildet die Farbigkeit der Räume. Eine Schweizer Manufaktur fertigte eigens Wandfarben mit hochwertigen Pigmenten, die durch außergewöhnliche Farbtiefe überzeugen. Diese bewusste Farbwahl verleiht jedem Raum eine eigenständige Atmosphäre und schafft zugleich einen harmonischen Gesamteindruck, der die Villa als gestalterische Einheit erlebbar macht. Historische Wandvertäfelungen und Einbauten wurden restauriert. Wo spätere, weniger wertvolle Ergänzungen die ursprüngliche Raumwirkung beeinträchtigten, wurden sie durch neue Elemente in Anlehnung an die historischen Vorbilder ersetzt. Besonders aufwendig gestaltete sich die Wiederherstellung der Heizkörperverkleidungen in Wiener Geflecht – ein typisches Detail der Entstehungszeit, das sowohl funktional als auch ästhetisch überzeugt. Die Bäder folgen einer puristischen Formensprache. Wenige, präzise im Raum gesetzte Elemente definieren den Raum, während notwendige Installationen hinter skulptural inszenierten Wandscheiben verborgen bleiben. Diese reduzierte Gestaltung erzeugt Großzügigkeit und Ruhe – eine bewusste Kontrastierung zur ornamentierten Pracht der historischen Räume. Herzstück des Familienlebens ist die maßgefertigte Küche, in der Edelstahl-Küchenelemente mit Oberflächen aus weiß geölter Eiche und dunkler Räuchereiche kombiniert wurden. Die Materialwahl schafft eine angenehme Wohnlichkeit und verbindet funktionale Anforderungen mit gestalterischer Qualität. Ergänzt wird die Innenraumgestaltung durch teils speziell entworfene Einbaumöbel, die sich mit schlichter Noblesse in die Architektur einfügen. Sie unterstreichen den eleganten Charakter der Villa, ohne in Konkurrenz zur historischen Substanz zu treten. Eine der größten Herausforderungen bestand darin, das Gebäude auf den Stand des 21. Jahrhunderts zu bringen, ohne die historische Raumwirkung zu beeinträchtigen. Sämtliche Haustechnik – Sanitär, Heizung, Lüftung, Elektro – wurde erneuert. Die Villa erhielt einen Fernwärmeanschluss, zentrale Lüftungsanlagen sorgen für Feuchteschutz und Schallschutz gegen Außenlärm. All diese Installationen wurden so integriert, dass sie für den Nutzer unsichtbar bleiben und die Raumqualität nicht beeinträchtigen.
EIN HAUS, DAS WIEDER LEBT
Die Sanierung der Villa in der Mauerkircherstraße 67 zeigt exemplarisch, wie denkmalgeschützte Bausubstanz für heutige Wohnbedürfnisse aktiviert werden kann, ohne dass die historische Identität verloren geht. Die Rückkehr zur ursprünglichen Bestimmung als Wohnhaus für eine Familie wirkt sich positiv auf den Werterhalt des Denkmals aus – ein Gebäude, das bewohnt und gepflegt wird, hat die besten Chancen, auch zukünftigen Generationen erhalten zu bleiben. Das Projekt entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und der Unteren Denkmalschutzbehörde. Für die konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten möchten wir uns herzlich bedanken
























